Unsichtbar, unhörbar, unberührbar – Katastrophenschutz für extrem vulnerable Menschen
Es gibt viele Fälle wie Jonas aus Freiburg oder , und die Zahl wächst weltweit weiter. Sie sind keine Einzelfall, sondern ein repräsentativer Ausdruck einer stillen, systemischen Katastrophe, die Millionen Menschen betrifft und bisher kaum in Katastrophenschutz, Gesundheitsplanung oder gesellschaftlichem Bewusstsein verankert ist.
Was bedeutet es eigentlich, in einer akuten Katastrophensituation auf Menschen zu treffen (egal ob in Deutschland, der Schweiz, den USA, China, Mexiko, Spanien, Russland, Pakistan, Ukraine, Ätophien, Ägypten oder im Sudan) – Menschen mit ME/CFS, Long Covid, ALS, Locked-in-Syndrom, schwere Autismusformen oder anderen extremen Einschränkungen, die nicht evakuiert, nicht kommunizieren, nicht berührt werden können?
Post-Exertionelle Malaise (PEM) ist das zentrale Merkmal von ME/CFS. Es bedeutet: Jede körperliche, geistige oder sensorische Anstrengung – selbst minimale – kann zu einem Crash führen d. h. einer drastischen Verschlechterung der Symptome, oft über Tage, Wochen oder auch dauerhaft.
mögliche Beispiele für Auslöser:
- Licht im Zimmer → Schmerzen, Desorientierung
- laute Stimme → neurologischer Overload
- Berührung → Schmerzschock
- Transport → Zusammenbruch des Kreislaufs
- Gespräch → völlige Erschöpfung, Atemnot
PEM ist nicht nur eine Erschöpfung, es kann ein ganzer "Systemzusammenbruch" sein.
Im Katastrophenschutz und Notfallmanagement braucht es auch Mobile Versorgungseinheiten für Menschen mit ME/CFS und PEM d. h. auch völlig neue Einsatzformate werden hier notwendig.
Um was geht es mir hierbei konkret ...
- Eine Sensibilisierung für nicht-standardisierte Vulnerabilität d. h. Betroffene, die nicht in "normale" Checklisten passen
- Entwicklung von neuen Handlungskonzepten für Katastrophenschutz und Versorgung für Flutgebiete, Erdbebenregionen, Pandemien, Blackouts u. v. m.
- Eine Förderung von empathischer Systemkompetenz d. h. Sehen, Verstehen und Handeln unter extremen Bedingungen
- und eine Reflexion über ethische Verantwortung in der Krise
Realitätskonfrontation: nennen wir ihn "Ben"
Stellen Sie sich bitte Folgendes vor
Sie betreten ein Haus nach einer Flut. Im abgedunkelten Zimmer liegt ein junger Mann mit schwerem ME/CFS. Er reagiert nicht auf Ansprache. Licht, Geräusche, Berührung – alles verursacht ihm Schmerzen. Er kommuniziert nur noch über Klopfzeichen. Er kann nicht evakuiert werden.
Was tun Sie?
Warum versagt hier vermutlich der Katastrophenschutz?
- Standard-Evakuierungspläne ignorieren nicht-transportfähige Personen
- Kommunikation ist nicht vorgesehen für Menschen ohne Sprache
- Kliniken sind ungeeignet für ME/CFS – selbst in der Akutversorgung
- Behörden kennen keine Protokolle für „unsichtbare“ Erkrankungen
Wie sieht es mit einem Empathie-Training bei Einsatzkräften aus und was bedeutet Berührungslosigkeit?
- Übungen zur Wahrnehmung: Licht, Geräusche, Nähe
- Reflexion: Was ist Hilfe, wenn Hilfe Schmerzen verursacht?
- Perspektivwechsel: Kommunikation über Klopfzeichen, Blickrichtung, Atemmuster
mögliche Handlungsstrategien für Einsatzkräfte (Herausforderung und mögliche alternative Handlung)
- Keine Evakuierung möglich d. h. Einrichtung von „Stillräumen“ vor Ort
- Keine Kommunikation möglich d. h. Schulung in nonverbaler Resonanz, Klopfzeichen
- Keine medizinische Versorgung möglich d. h. Mobile Versorgungseinheiten mit ME/CFS-Kompetenz oder Long Covid Kompetenz
- Keine Daten über Betroffene d. h. Aufbau von lokalen Vulnerabilitätsregistern (freiwillig, datenschutzkonform)
PEM verstehen – durch Erfahrung
Übung: „Was ist zu viel?“ hierbei ist es sinnvoll wenn Einsatzkräfte in Ihren Trainings simulierte Reize erleben: Lichtblitze, Geräuschkulisse, Entscheidungsdruck und körperliche Nähe
→ Danach Reflexion: Was bedeutet das für "Ben"? Für mich? Für die Rettung?
Mögliche Probleme in Kliniken
- Standardzimmer d. h. möglicherweise Reizüberflutung und Crash
- Betriebsamkeit d. h. für Ben neurologischer Overload
- Unkenntnis von PEM d. h. mögliche Fehlbehandlung und Verschlechterung
- Transportzwang d. h. unter Umständen Lebensgefahr
Wie könnte eine mögliche Struktur so einer mobilen Einheit aussehen (Diese Einheit wird nicht zentral, sondern dezentral eingesetzt z. B. in schwer zugänglichen Wohngebieten, Pflegeeinrichtungen und Einzelhaushalten. mit der Einsatzlogik "Nicht Evakuieren – sondern Stabilisieren", "Nicht Standardisieren – sondern Individualisieren" und Nicht Überfordern – sondern Entlasten"
Teamzusammensetzung (Rolle und Aufgabe)
- ME/CFS-Fachpflegekraft: Einschätzung, Versorgung, Kommunikation
- Notfallmediziner:in mit ME/CFS-Schulung: Medikamentöse Hilfe, Monitoring
- psychosoziale Fachkraft: Angehörigenbegleitung, Krisenintervention
- Technikassistenz: Reizabschirmung, mobile Infrastruktur
- Koordinator:in: Schnittstelle zu Behörden, Logistik
- Angehörige als Co-Begleiter:innen mit Einbindung in Entscheidungsprozesse
Was ist vermutlich im Voraus schon möglich und wie?
- Identifikation vor Ort d. h. durch lokale Netzwerke, Angehörige, Nachbarschaft und Selbsthilfegruppen
- Aufbau eines freiwilligen Vulnerabilitätsregisters im Vorfeld z. B. durch Gesundheitsämter und Sozialdienste
Bei Katastrophen werden viele Menschen nur durch Nachbarn oder auch durch Zufall gefunden – hier braucht es systemisches Vorausdenken.
Modulare Ausstattung z. B. an Flutbedingungen (ein paar Ideenvorschläge)
Denken wir hierbei noch einmal an unseren "Ben". Das Haus ist halb zerstört. Ben liegt im Obergeschoss. Kein Strom, kein Wasser. Seine Familie hat ihn mit Decken geschützt. Die mobile Einheit trifft ein. Das Reizschutz-Zelt wird im Schlafzimmer aufgebaut. DAs Licht wird abgeschirmt. Eine Kommunikation über Klopfzeichen beginnt. Schmerzmittel werden verabreicht. Keine Evakuierung – Stabilisierung vor Ort. Seine Angehörige werden eingebunden. Die Dokumentation erfolgt per Hand. Funkkontakt zur Einsatzleitung wird hergestellt.
- Reizschutz-Zelt d. h. ein wasserdichtes, lichtdämpfendes Pop-up-Zelt mit Schalldämmung z. B. aus Rettungsdecken, Schaumstoff, Planen – aufstellbar in trockenen Räumen, Garagen, Zelten
- Kommunikationshilfen d. h. analoge Tafeln, Klopfzeichen-Übersetzer z. B. einfache Vibrationssensoren, visuelle Karten, keine digitale Abhängigkeit
- Medizinische Basisversorgung d. h. mobile Kits mit Infusion, Schmerzmitteln, Kühlpacks – transportierbar in Rucksäcken, Notfalltaschen
- Pflegehilfsmittel d. h. Lagerungshilfen aus improvisierten Materialien (Decken, Kissen, Wärmflaschen), Hygiene durch mobile Waschsysteme
- Notstrom und Funk d. h. z. B. kleine Powerbanks, Solarpanels, Funkgeräte – autark, robust, wasserfest
- Dokumentationseinheit d. h. hier Papierbasierte Protokolle, später digitalisiert – Fokus auf Würde, nicht Bürokratie
Reizschutz-Zelt - ein Mobiler Schutzraum für Betroffene mit schwerem ME/CFS und PEM in Katastrophenlagen
Das Reizschutz-Zelt ist ein mobiler Rückzugs- und Versorgungsraum, der Betroffene mit extremen Reizempfindlichkeiten vor Licht, Geräuschen, Temperaturwechseln und sozialen Überforderungen schützen sollte. Es sollte eine stabilisierende Versorgung vor Ort ermöglichen, ohne die Betroffenen zu transportieren oder zu überfordern.
Mögliche technische Anforderungen (Eigenschaft und Beschreibung)
- Wasserfestigkeit: Schutz vor Regen, Schlamm, Kondenswasser z. B. durch beschichtete Planen, Zeltboden mit Drainage
- Lichtdämpfung: Abdunkelung durch schwarze Innenbeschichtung, doppelte Stofflagen, lichtundurchlässige Rettungsdecken
- Schalldämmung: Innenwände mit Schaumstoff, Filz oder aufblasbaren Luftkammern zur Geräuschreduktion
- Temperaturregulierung: Isolierende Materialien, Belüftungsklappen, mobile Kühl-/Wärmeelemente (z. B. Gelpacks, Wärmflaschen)
- Schneller Aufbau: Pop-up-System oder Steckrahmen, Aufbau durch 1–2 Personen in <10 Minuten
- Mobilität: Tragbar in Rucksackgröße, Gewicht < 15 kg, verstaubar in Einsatzfahrzeugen
- Robustheit: Wind- und wetterfest, feuerhemmend, reißfest – geeignet für Flut, Waldbrand, Erdbeben
- Innenraumgestaltung: Platz für 1 Person liegend + 1 Pflegekraft, Lagerungshilfen, Dokumentationstafel, Notlicht
Nicht immer ist Hightech vorhanden, also sollte man sich schnell zu helfen wissen d. h. Materialien die an vielen Orten weltweit verfügbar sind)
- Außenhaut LKW-Plane, Zeltstoff, Rettungsdecken
- Innenisolierung Schaumstoffmatten, Filz, recycelte Textilien
- Boden Gummimatte, Holzpalette mit Plane, Drainagefolie
- Abdunkelung Verdunkelungsstoff, doppelte Stofflagen, Klettsystem
- Schalldämmung Akustikplatten, Luftkammern, Teppichreste
- Tragstruktur Aluminiumgestänge, Fiberglas, Bambus (lokal verfügbar)
- Zubehör Wärmflaschen, Kühlpacks, Klopfzeichen-Tafel, Atemsensorik (optional)
Wie könnte hier ein mögliches Szenario aussehen?
Ethik der Rettung
- Was bedeutet „Retten“, wenn man nicht berühren darf?
- Was bedeutet „Hilfe“, wenn Hilfe schadet?
- Wer entscheidet über Risiko vs. Würde?
- Wie gehen wir mit Unsichtbarkeit um – medizinisch, sozial, politisch?